Pressemitteilung

02.12.2020 Meldungsnummer: PM 07-2020

Rabattabschlag bei einem Arzneimittel

Das Bayer. LSG hat gestern im Rahmen eines Eilverfahrens den Antrag eines pharmazeutischen Unternehmens gegen einen Rabattabschlag für ein von ihm vertriebenes Arzneimittel abgelehnt.

Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie vertreibt ein Fertigarzneimittel als Lizenzinhaberin des Arzneimittelherstellers, der seit 02.06.2017 die europaweite Zulassung für dieses Arzneimittel zur Behandlung im Anwendungsgebiet einer Unterform der seltenen interstitiellen Cystitis, einer nichtinfektiösen chronischen Harnblasenerkrankung (die geprägt ist von Schmerzen, Pollakisurie, Nykturie und imperativem Harndrang in unterschiedlicher Ausprägung und Kombination der Symptome und bei gleichzeitigem Ausschluss differenzialdiagnostischer Erkrankungen), erhalten hat. Ein wirkstoffgleiches und in Deutschland zur Behandlung für einen anderen Anwendungsbereich zugelassenes Arzneimittel war seit 1963 vom Hersteller bis September 2017 vertrieben worden. Das neu zugelassene Arzneimittel wird seit Oktober 2017 vertrieben und zu einem Preis abgegeben, der ein Vielfaches über dem des bis September 2017 vertriebenen Medikaments liegt. Ein anderes orales Arzneimittel zur Behandlung der interstitiellen Cystitis, sofern Glomerulationen oder Hunner-Läsionen vorliegen, ist seit 2017 in Europa arzneimittelrechtlich nicht zugelassen.

Der Antragsgegner, der GKV-Spitzenverband, hat die Antragstellerin im Oktober 2019 darauf hingewiesen, dass nach den Regelungen des § 130a Abs. 3a SGB V eine Abschlagspflicht bei der Neueinführung eines Arzneimittels bestehe, für das der pharmazeutische Unternehmer in der Vergangenheit bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht habe. Der Vergleichspreis ergebe sich aus den Abgabepreisen für das bis September 2017 vertriebene Medikament.

Die Abschläge würden alsbald – so der Antragsgegner – in den offiziellen Verzeichnislisten ausgewiesen werden.

Dagegen hat sich die Antragstellerin im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gewandt. Sie trägt u.a. vor, dass ein Vertrieb zu einem Preis mit dem angesetzten Rabatt für sie nicht wirtschaftlich sei; der Einkaufspreis beim Hersteller liege über dem mit Rabatt versehenen Abgabepreis. Eine Möglichkeit für einen günstigeren Einkauf bestehe für sie nicht. Bleibe die Rabattpflicht bestehen, sei sie gezwungen, das Arzneimittel vom Markt zu nehmen. Der zum Verfahren beigeladene Hersteller hat seinen Verkaufspreis an die Antragstellerin u.a. mit den Kosten der Entwicklung, Herstellung und europaweiten Zulassung begründet. Auf Nachfrage des Gerichts haben die Antragstellerin und der Hersteller unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse die erbetenen konkreten Angaben zur Preiskalkulation des Arzneimittels nicht gemacht.

Das Bayer. LSG hat es abgelehnt, die Rabattpflicht vorläufig auszusetzten und es der Antragstellerin zu ermöglichen, das Arzneimittel ohne Rabatt zu vertreiben. Die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. U.a. hat das Bayer. LSG darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin und ebenso der beigeladene Arzneimittelhersteller trotz entsprechender Nachfragen des Gerichts die für eine Entscheidung des Gerichts erforderlichen konkreten Angaben zur Preiskalkulation unter Berufung auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht gemacht haben. Die vergleichsweise vagen Angaben der Geschäftsführer der beiden beteiligten Firmen sind für das Gericht nicht ausreichend gewesen, zumal die Angaben für das Gericht auch nicht durchwegs schlüssig waren. Weiter hat das Gericht darauf hingewiesen, dass für eine Situation wie hier, in der mit wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Rabattpflicht in Frage gestellt wird, die Möglichkeit besteht, beim Bundesministerium für Gesundheit einen Antrag auf Ausnahme von der Rabattpflicht zu stellen. Bei dem dort zeitnah durchzuführenden Verfahren muss das Bundesministerium für Gesundheit sicherstellen, dass die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden, mit deren Verletzung die Antragstellerin und der Hersteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bayer. LSG die Verweigerung näherer Angaben begründet haben. Sofern sich die Antragstellerin zur Begründung ihres Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz auf das Gesundheitsinteresse der mit dem streitigen Arzneimittel behandelten Patienten beruft, liegen die Versorgung und damit die Verantwortung hier primär in der Hand der Antragstellerin und des Herstellers; die Antragstellerin kann ihrer Verantwortung für die Patienten, wenn sie nicht den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten will, beispielsweise durch den aufgezeigten Weg eines Antrags beim Bundesministerium für Gesundheit nachkommen.  

Sozialgericht Bayreuth, Beschluss vom 12.05.2020 - S 15 KR 1017/20 ER

Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 01.12.2020 – L 20 KR 251/20 B ER

Verantwortliche Herausgeberin:

Anya Simons

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Mobile Kamera bei der Aufnahme