Pressemitteilung
1. Bayerischer Sozialrechtstag am 14./15. Juli 2022 in München: Rentenversicherungspflicht für alle? Das Sozialrecht benötigt ein tragfähiges Konzept um für die kommenden Herausforderungen gerüstet zu sein.
Am 14./15. Juli 2022 fand in München der 1. Bayerische Sozialrechtstag statt. Der Einladung zur Diskussion über die aktuellen und künftigen Herausforderungen des Sozialrechts sind herausragende Vertreter der Gerichtsbarkeit und Rechtswissenschaft sowie der Unternehmer- und Gewerkschaftsseite gefolgt. Frau Staatsministerin Ulrike Scharf betonte in ihrem Grußwort: „Das Sozialrecht ist der Wappenschild unseres Sozialstaats. Er gewährleistet Schutz, Sicherheit und sozialen Frieden.“
Der Präsident des Bayerischen Landessozialgerichts, Günther Kolbe, unterstrich in seiner Eröffnungsrede: „Als Rückgrat des Sozialstaates bietet das Sozialrecht Stabilität und ermöglicht Flexibilität“. Nach Prof. Dr. Udo Steiner ist soziale Sicherheit auch immer innere Sicherheit - ein starkes Stück Deutschland, mit dem man für unser Land werben könne. Um den Sozialstaat zukunftsfähig zu gestalten, müssten aber künftig viele Leistungen auf den Prüfstand gestellt werden, insbesondere in der Krankenversicherung müsse auch das Thema Priorisierung diskutiert werden. Prof. Dr. Becker vom Max-Planck-Institut setzte das deutsche Sozialrecht in einen internationalen Kontext und folgerte, dass sich der deutsche Sozialstaat bewährt habe. Der Präsident des Bundessozialgerichts Prof. Dr. Rainer Schlegel plädierte für eine Rentenversicherungspflicht für alle Erwerbstätigen – einschließlich Beamte und Selbständige. Hier bestehe dringender Reformbedarf. Das neue Sicherungsziel der GRV sollte für die Zukunft so definiert werden, dass jeder Erwerbstätige nach einem erfüllten Berufsleben - realistisch sind max. 40 Arbeitsjahre - von seiner Altersrente gut leben kann. Damit läge die Rente aus der GRV deutlich über Grundsicherungs- oder Sozialhilfeniveau und würde die Allgemeinheit entlasten. Realistisch und trotzdem ambitioniert sei ein Sicherungsziel von 10 bis 20 % über Sozialhilfeniveau.
Auch Prof. Dr. Thorsten Kingreen forderte kritisch eine Neuausrichtung: „Familienpolitik sollte sich wieder an sozialer Bedürftigkeit statt an Familien-Leitbildern orientieren.“ Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. e.V., unterstrich, dass die Politik dringend dazu aufgerufen sei, das System der Sozialversicherung und die soziale Sicherung an den kommenden demografischen Wandel und die marktwirtschaftlichen Herausforderungen anzupassen. Dr. Verena di Pasquale vom DGB Bayern forderte hingegen, die Lücken, die in den vergangenen Jahren ins soziale Netz gerissen worden seien, wieder zu schließen. So gelinge es, den Menschen Sicherheit zu geben. Der Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, Dr. Markus Gruber, der zur Ausbildung im Sozialrecht vortrug, fasste vermittelnd zusammen, dass sozialpolitische Themen von hoher Brisanz seien, da es kontinuierlich um Verteilungsfragen und Zukunftsherausforderungen für eine gerechte Gesellschaftsordnung gehe. Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion unter der Moderation von Frau Christine Bergmann, Wirtschaftsredakteurin im Bayerischen Rundfunk. Hier zeigte sich trotz gegenläufiger Interessenschwerpunkte Übereinstimmung, dass mit der demografischen Entwicklung die Anforderungen an den Sozialstaat steigen werden. Diese werden eine Konzentration auf die wesentlichen sozialen Bedürfnisse der Bürger erfordern.
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